Einladung zum 8. Kolloquium
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"Dionysos und Apoll –

Dimensionen ursprünglicher Erfahrung"

Seidlvilla
Nikolaiplatz l b
80802 München
U 3/6 : „Giselastrasse“
Kontakt (Tel.& Fax): 08024-1453

Samstag, 28. April 2007
Beginn: 16:00 Uhr
Ende: 22:00 Uhr
Eintritt: € 16.- / 12.- (incl. Kaltes Büffet)

Mit freundlicher Unterstützung durch das
Kulturreferat der Landeshauptstadt München

www. nietzsche-forum-muenchen.de    

PROGRAMM

16:00-16:30 Uhr
Dr. Beatrix Vogel: Begrüßung

16:30-17:00 Uhr
Albert von Schirnding:
Der Gott des Theaters. Dionysos – Passion und Triumph

17:00-17:30 Uhr
Prof. Dr. Renate Reschke:
Der andere Apoll. Nietzsches Sicht auf den Gott

17:30-17:45 Uhr
Kurze Pause

17:45-18:15 Uhr
Prof. Dr. Edith Düsing:
Dionysos oder Sokrates? Nietzsches Konzept des ‘Anderen’ der Vernunft

18.15-18.45 Uhr
Dr. Robert Kozljanic:
Das Dionysische, das Apollinische und das Athenische:
Eine Auseinandersetzung mit Friedrich Nietzsche und Eberhard Simons

18.45-19.30 Uhr
Kaltes Büffet

19:30-22:00 Uhr
Podiums- und Plenumsdiskussion
Im erweiterten Podium: Reinhard Falter, Prof. Dr. Wolfgang Tunner, Dr. Elke A. Wachendorff
Moderation: Prof. Dr. Edith Düsing

Allgemeines Exposé:

Apoll und Dionysos beschäftigten Nietzsche in wechselnder Deutung zeitlebens: als dramatisches Urphänomen, als fundamentale Kategorien menschlichen Lebensvollzugs, als Möglichkeit der Charakterisierung gesellschaftlich-kultureller Zustände, „zunehmend in Beantwortung der Problematik des nahezu tödlichen Widerstreites von Leben und Wahrheit, einer Wirklichkeit, der der Mensch nicht ins Angesicht blicken kann, so dass er, um mit der Wahrheit zu leben, die Illusion wollen muss“ (E. Düsing). Das 8. Kolloquium des Nietzsche-Forums München möchte wichtige Aspekte der geläufigen, bisweilen zur Allerweltsformel verkommenen Topoi im Denken Nietzsches präzisieren und deren Erschließungskraft für das Verständnis der heutigen kulturellen Situation erproben.

Exposés zu den Statements der Referenten:

Albert von Schirnding:

Durch seine doppelte Geburt als Gottmensch wird Dionysos zum Mittler zwischen Göttern und Menschen, durch seine Passionsgeschichte zum Heiland und Erlöser. Als das zentrale Motiv des Mythos ergibt sich daraus der Tod und die Auferstehung eines Gottes. Aus Asien, wohin ihn der Hass der eifersüchtigen Hera vertrieben hat, kehrt er mit einem Schwarm von begeisterten Anhängerinnen nach Griechenland zurück: die spektakuläre Wiederkehr eines Verdrängten. Die neue Religion, die mit dem Anspruch rückhaltloser Unterwerfung in die wohlgeordnete griechische Welt einbricht, verkündet das Glück der Befreiung von den Fesseln des Ichs. Das in heiliger Kommunion verzehrte Opfertier vertritt den Gott, in dessen Namen das in Individuen zerrissene All wieder ein Ganzes wird, die „entfremdete, feindliche oder unterjochte Natur ihr Versöhnungsfest  mit ihrem verlorenen Sohne, dem Menschen, feiert“ (Nietzsche).

Prof. Dr. Renate Reschke:

Dass Nietzsche, der sich bekanntlich als Philosoph des Dionysos verstanden wissen wollte, sein ganzes Denken jedoch eher aus der Perspektive des Apoll aufgebaut hat, wird an vier Gesichtspunkten dargestellt: (1) Mit Blick auf die mythologischen Überlieferungsschichten von Apoll und Dionysos wird zunächst ihre wechselseitige Bezogenheit aufeinander skizziert, um dann (2) den Prozess aufzuzeigen, in dem sich bei Nietzsche mit Blick auf Euripides hintergründig die Waagschale zugunsten Apollons senkt, um sodann darzutun, wie der Philosoph trotz gegenteiliger Behauptung den ‘Bildnergott’ zum Fundament seines Denkens gemacht hat, um (4) abschließend einen Zusammenhang herzustellen zwischen dem delphischen Herrschergott und der Kritik der Moderne, die in sein Bild eingelassen ist.

Prof. Dr. Edith Düsing:

Dionysos ist für Nietzsche der Gott der Ekstase, der schöpferischen Intuition und der Liebesleidenschaft. Mit Sokrates beginnt für Nietzsche weltgeschichtlich der Typus des theoretischen Menschen, der an die „Universalheilkraft“ des Erkennens glaubt. Nietzsche sucht die goldene Brücke zwischen beiden: den Musik treibenden Sokrates, der zugleich ekstatisch und nüchtern ist, der seine Affekte und die Vernunft zur Geltung bringt. Denn die Unterdrückung der Emotionen und der „Weihe inneren Träumens“ in der hohen „Wissenspyramide“ der neuzeitlichen Vernunft haben sich für Nietzsche „teuer bezahlt gemacht“.

Dr. Robert Kozljanic:

Durch Nietzsche haben die Begriffe des „Dionysischen“ und „Apollinischen“ Eingang ins moderne Bildungsbewusstsein gefunden. Der Vortrag beleuchtet (1) zunächst die Herkunft der kulturphilosophisch-ästhetischen Topoi aus der mythosgläubigen Antike, der Dionysos und Apoll noch keine Begriffe, sondern göttliche Erscheinungen waren. Der Rückgriff auf die Antike lässt dann deutlich werden, (2) wie Nietzsche und Simons die antik-mythischen Göttergestalten in philosophische Allegorien verwandelten, sowie (3) was die moderne Konzeption von Anfang an übersehen hat: den spezifischen Phänomenkomplex, der in der Antike dem Machtbereich der Göttin Athena zugeschrieben wurde, woran sich (4) die Frage knüpft, ob das Gegensatzpaar dionysisch-apollinisch nicht eigentlich treffender mit dem Gegensatzpaar dionysisch-athenisch zu bezeichnen wäre.

Kurzvitae der Referenten:

Albert von Schirnding: geb. 1935 in Regensburg.

Studium der Altphilologie und Germanistik in München und Tübingen. 40 Jahre Gymnasiallehrer. Vizepräsident der Mainzer Akademie der Wissenschaft und der Literatur. Sein umfangreiches Werk als Schriftsteller, Literaturkritiker und Essayist gewährt Einblicke in Philosophie und Dichtung, von der Antike über Dante bis hin zu Wagner, Schopenhauer, Nietzsche, Ernst Jünger, zumal Thomas Mann und die literarische Moderne bis in die Gegenwart.

Renate Reschke: geb. 1944 in Berlin.

Studium der Kulturwissenschaft, Philosophie und Germanistik. Professorin für die Geschichte des ästhetischen Denkens am Seminar für Ästhetik der Humboldt-Universität in Berlin. Kulturkritik und Ästhetik bei Friedrich Nietzsche ist einer ihrer Schwerpunkte. – “Denkumbrüche mit Nietzsche. Zur anspornenden Verachtung der Zeit“ (Berlin 2000). Seit 1989 Vorstandsmitglied der Nietzsche-Gesellschaft e.V.; Herausgeberin der Jahrbuch- und Kongressbände der Nietzsche-Gesellschaft „Nietzscheforschung“

Edith Düsing: geb. 1951 in Erlangen.

Studium der Philosophie, Mathematik und Pädagogik zu Köln. Seit 1989 apl. Professorin an der Philosophischen Fakultät Köln. Besonders bekannt geworden sind ihre Arbeiten zu Fichte, Kierkegaard und Nietzsche („Nietzsches Denkweg. Theologie, Darwinismus, Nihilismus“, München 2006). Ihre besonderen Schwerpunkte: Theorie der Intersubjektivität, vom Deutschen Idealismus bis hin zur neueren Phänomenologie und analytischen Tiefenpsychologie.

Robert Kozljanic: geb. 1966.

Dozent und Autor in München; z. Zt. Lehrbeauftragter für Philosophie an der TU Chemnitz. Seit 2005 Herausgeber des „Jahrbuchs für Lebensphilosophie“. Arbeitsschwerpunkte: Lebens- und Kulturphilosophie, Phänomenologie, Kultur- und Religionsgeschichte, Ästhetik, Tiefenökologie. – „Ernesto Grassi. Leben und Denken“ (München 2003); „Lebensphilosophie – Eine Einführung“ (Stuttgart 2004); „Freundschaft mit der Natur – Naturphilosophische Praxis und Tiefenökologie“ (Jasedow 2007).

Die KOLLOQUIEN des Nietzsche-Forums München möchten, mit Nietzsche denkend, einen sorgfältigen Diskurs zu Fragen von grundlegender Relevanz für die gesellschaftliche Entwicklung der Gegenwart pflegen und zu diesen Fragen eine intensive Kommunikation in Gang setzen.

Bitte bringen Sie interessierte Freunde und Bekannten mit!